Dienstag, 22. Februar 2022

5 Dinge, die nur Eltern besitzen


Es gibt ja so einige Dinge, die man sich gar nicht vorstellen kann, bevor man Kinder bekommt. Unter anderem liegt das daran, dass man von diesen Dingen vorher noch nie gehört hat – und das aus gutem Grund. Hätte mich prä-Kind jemand gefragt, was ein Vaporisator oder ein Buggyboard sind, hätte ich diese Dinge zum Beispiel wahrscheinlich thematisch eher dem Raumschiff Enterprise zugeordnet.


Wie sagt man so schön: Man lernt nie aus. Manchmal überrascht es mich aber trotzdem noch, welche Dinge ich auf einmal besitze, die ich niemals für möglich gehalten hätte. Zum Beispiel die folgenden fünf …


Ding 1: Einen Nasenstaubsauger

Noch heute gebe ich ungern zu, dass ich mir dieses Ding von unserem Kinderarzt habe aufschwatzen lassen. Aber wer noch nie mit einem betonverschnupften Baby gemeinsam die Nacht durchgeweint hat, möge den ersten Stein werfen!

Die Verzweiflung war groß und ja, ich wollte einfach, dass das Elend ein Ende hat. Und als mir der geschulte Mediziner den professionellen Nasenstaubsauger empfahl, ergriff ich diesen Strohhalm bzw. diese Saugdüse.

Als ich mir zu Hause die Bedienungsanleitung durchlas, kamen mir erste Zweifel an der Sache und ich befahl meinem Mann, lieber die Jalousien herunterzulassen. Und das war auch gut so, denn sonst hätten die Nachbarn höchstwahrscheinlich das Jugendamt gerufen.

Wer jetzt nicht googeln möchte, dem sei so viel verraten: Der Nasenstaubsauer ist genau das, wonach er klingt. Man steckt ein kleines Nubsidingens auf den Staubsauger, mit dem man normalerweise die Flusen unter der Couch hervorsaugt und steckt das Ganze dem Kind ins Nasenloch, aus dem es daraufhin die Rotzraketen herauszuzelt. Bis heute kann ich meinem Kinderarzt nicht verzeihen, dass er mir auch noch weisgemacht hat, seinen Kindern würde das Spaß machen, denn sagen wir so: Meine fanden es … nicht ganz so witzig.


Ding 2: Einen Lauskamm

Wieder so ein Ding, das ich eigentlich lieber gar nicht kennen würde. Aber glaubt mir: Sobald euer Kind in den Kindergarten geht, werdet ihr es öfter in die Hand nehmen, als euch lieb ist. Denn kaum sind 20 Kinder für ein paar Tage auf einem Haufen, begrüßt einen an der Tür der Kindergartengruppe unweigerlich das Schreckgespenst einer jeden Mutter: der Zettel (Horrorfilmmusik bitte selbst vorstellen!).

Wahlweise wird darauf der neueste Ausbruch von Windpocken, Hand-Mund-Fuß, Magendarm oder eben Läusen verkündet. Oft beschleicht einen das Gefühl, eine Seuchenstation sei ein Lercherlschas gegen den durchschnittlichen Gemeindekindergarten.

Und neben Durchfallsafterl und Nureflex hat die moderne Mutter von heute für solche Fälle eben auch einen Lauskamm daheim, mit dem man die holden Locken des Nachwuchses auf eklige Nissen durchkämmen kann. Danach noch einen großzügigen Schuss Laus-Shampoo für die gesamte Familie und schon ist man bereit für den nächsten Zettel!

 


 


Ding 3: Ein tragbares Klo

Zugegeben, dieses Ding besitze ich nicht selbst, ich entdeckte es nur kürzlich bei Freunden. Vielleicht gab es das noch gar nicht, als meine Jungs an ihrem Windelabschied arbeiteten, oder es ist schlicht an mir vorübergegangen. Jedenfalls staunte ich nicht schlecht, als sich der vermeintliche Puppenkoffer, den unsere Freunde beim letzten Outdoor-Treffen dabeihatten, als tragbares Mini-Klo zum Aufklappen entpuppte.

Ich war gleichermaßen fasziniert und angeekelt von der Idee. Einerseits: Das Kind nicht mehr schwebend für zehn Minuten über das versiffte öffentliche Klo halten – top! Andererseits: Das Köfferchen samt weiß Gott welchem Inhalt für den restlichen Spielplatzbesuch mit mir herumtragen: einfach nein.

Für meine Jungs hätte ich so ein Teil wahrscheinlich damals also eher nicht gekauft. Für ein Festival wäre es aber eventuell eine gar nicht so schlechte Idee …!


Ding 4: Eine Heißklebepistole

Ich kann es gar nicht oft genug sagen: Ich hasse basteln. Deswegen hätte ich mir auch nie träumen lassen, dass sich in meinem Haushalt einmal mehr Bastelutensilien finden würden als Schere und Tixo. Dann bekam ich Kinder.

Im Kindergartenalter schob ich das Basteln noch an die Omas ab und mogelte mich so ganz gut durch. Doch dann kam mein Großer in die Schule, beziehungsweise viel schlimmer: Er kam – danke und Bussi, liebes Corona! – nach zwei Monaten als stolzer Erstklässler ins Home Schooling.

Und als wären Silbenklatschen und Plusrechnen nicht schon schlimm genug, gab es im Distance Learning eben auch Werken. Wer jemals versucht hat, einem lustigen Dosen-Weihnachtsmann seinen Rauschebart mit Uhu-Stick anzukleben, weiß: Dieses Projekt ist zum Scheitern verurteilt.

Deswegen landete nach wöchentlich missglückten Bastelwerken samt heulendem Kind ein Ding in meinem Amazon-Einkaufskorb, um das ich bisher immer einen großen Bogen gemacht hatte: eine Heißklebepistole. Diese klebt vom Rauschebart bis zum Osterhasenpuschel wirklich alles einwandfrei, sie hat nur einen großen Nachteil: Weil ich das Ding im wahrsten Sinne des Wortes für brandgefährlich halte, lasse ich es mein Kind nicht benützen. Und wer ist deshalb im Distance Learning weiter der Bastelkasperl? Genau: ich.

 


 


Ding 5: Eine Mama-Handtasche

Vor den Kindern war ich der Typ "Geldtascherl, Handy, passt scho." Mit kleinen Kindern war ich der Typ "Wickeltasche und passt scho." Jetzt, mit zwei etwas größeren Kindern, bin ich der Typ "Handtasche so groß wie Kleinwagen".

Eigentlich kann man mittlerweile gar nicht mehr von einer "Hand"tasche sprechen, vielmehr brauche ich mittlerweile eine Himalaya-Bergexpeditions-Tasche, damit ich alles unterbringe, was man braucht, um mit Kind auch nur fünf Minuten das Haus zu verlassen.

Trinkflasche? Check. Müsliriegel? Check. Taschentücher? Check. Pflaster? Check. Sonnnencreme? Check. Notfall-Gummibärli? Check. 45 Plastiksackerl zum Sammeln von Steinen, Zweigen und Kastanien? Check. Was ich dabei regelmäßig vergesse, sind leider mein Geldtascherl und mein Handy ...

Donnerstag, 2. Dezember 2021

Die stillste Zeit des Jahres? Nicht als Mama ...

Man sagt ja, die Weihnachtszeit sei die stillste Zeit des Jahres. Ich sage: Mit zwei Kindern unter acht ist das Wort "still" generell ein dehnbarer Begriff. In der Adventzeit trifft er bei uns aber sicher noch weniger zu als zu jeder anderen Jahreszeit.

Wahrscheinlich mache ich einfach irgendwas falsch und es wäre in Wahrheit ganz einfach, dass wir alle vier zwischen Jahresabschlussstress und Geschenke-Shopping harmonisch Weihnachtslieder trällernd durch den Schnee hüpfen – aber unsere Vorweihnachtszeit gleicht meistens eher einer besonders ATV-tauglichen Folge von "Instagram vs. Reality".




Im Advent sieht es bei uns nämlich etwa so aus …
 

1. Die Weihnachtsstimmung
 

Meine Vorstellung:

Pünktlich mit dem 1. Dezember verwandelt sich unser Haushalt in einen Hafen der Harmonie und Besinnlichkeit. Ganz im Zeichen der Nächstenliebe wird weder um das letzte Stück Lebkuchen noch über die Form des Frühstückstoasts gestritten und wir verbringen unsere Freizeit gemütlich zuhause im Schein des Adventkranzes damit, als Familie lustige Brettspiele zu spielen.


Die Realität:

Wir verbringen im Schein des Nachtlichts unsere Freizeit damit, abwechselnd am Bett eines kranken Kindes zu wachen und motzen uns gegenseitig an, wer vergessen hat, die aufgebrauchten Taschentücher nachzukaufen.

Da die Kinder zwischen Krampuslauf, Kinderpunsch und Adventfeier wie auf einem einzigen, 24 Tage langen Festival sind, wechseln sie minütlich zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Statt Nächstenliebe zieht der Kleine den Großen an den Haaren, der Große sperrt den Kleinen aus dem Zimmer aus, Mama pflaumt Papa an, weil der den Müll noch nicht hinausgetragen hat und Papa würde sich am liebsten die restlichen 23 Tage im Keller einsperren.
 

2. Die Weihnachtsdekoration
 

Meine Vorstellung:

Festlich geschmückt mit Tannenzweigen, Kerzen und stilvollen Deko-Elementen sieht unser Haus aus wie frisch aus der Weihnachtsedition von "Schöner Wohnen". Durch den Duft des selbst gebundenen Adventkranzes und die Freude über die zuckersüßen, von den Kindern gebastelten Weihnachtsaccessoires stellt sich weiter oben vermisste Weihnachtsstimmung von ganz alleine ein.
 

Die Realität:

Warum ich mich dieser Vorstellung jedes Jahr aufs Neue hingebe, ist mir selbst ein Rätsel. Jeder, der mich kennt, weiß: Ich bin komplett talentbefreit, wenn es ums Basteln geht. Mehr noch: Ich hasse Basteln – und habe diesen unschönen Charakterzug zumindest teilweise auch an meine Kinder vererbt.

Deswegen ist es auch vollkommen utopisch, dass ich selber einen Adventkranz binde (der wird fünf Minuten vor Ladenschluss bei Billa gekauft) oder das Haus mit etwas anderem als mit einer leicht angedepschten Mandarine und ein paar Erdnüssen in der Obstschale auf Weihnachtsmodus trimme.

Bei meinem einzigen Versuch, gemeinsam mit den Kindern eine Art "Weihnachtsstrauch" zu dekorieren, war ich nach zehn Minuten damit beschäftigt, die Scherben der überteuerten Mini-Weihnachtskugeln mit dem Handstaubsauger aufzusaugen, die den Jungs beim ersten Versuch, sie auf einen krummen Ast zu pfriemeln, aus den Händen gerutscht waren.

Du ahnst es vielleicht bereits: Auch der Adventkalender wird in unserem Haus nicht (mehr) selbst gebastelt. Das Jahr, in dem ich in Weihnachtsidylle verklärt zweimal 24 Säckchen mit liebevoll ausgesuchten Kleinigkeiten (die mich zusammengenommen etwa fünfmal so viel gekostet haben wie zwei gekaufte Adventkalender) befüllt habe, nur um dann zu erleben, wie dem undankbaren Nachwuchs die süße Weihnachtsfigur in Säcken Nummer sieben zu "uncool" war, hat mich zu der Überzeugung geführt, dass ein gekaufter Playmobil-Adventkalender mich wahrscheinlich auch nicht zu einer schlechteren Mutter macht.

Selbst gebastelt ist bei uns wenigstens der Wunchzettel ans Christkind. Teilweise werden schon im August mit Feuereifer Spielzeugkataloge durchforstet und mit Leuchtstift unterstrichen,um dem lieben Christkind ja klar zu machen, dass man sich dieses Jahr eine Lego-Special-Edition um 2.300 Euro wünscht.

Dass das bereits im August geschieht, ist insofern praktisch, weil beide Omas spätestens im September voller Panik anrufen und – während du in der Arbeit in einer wichtigen Besprechung sitzt – genau JETZT wissen müssen, was die Kinder sich dieses Jahr zu Weihnachten wünschen. Immerhin haben sie gelesen, dass es dieses Jahr Lieferengpässe bei den Containern aus China gibt!

Den Fehler, die Weihnachtsgeschenke tatsächlich bereits vor dem Dezember zu besorgen, habe ich genau ein Mal gemacht. Zugegeben, die gefühlten zehn Minuten, in denen ich mir wie eine top-organisierte Supermum vorkam und allen sagen konnte "Ach, Weihnachtsgeschenke? Die hab ich alle schon besorgt!" waren ein Triumph. Weniger triumphiert habe ich, als mein Großer mir drei Tage danach eröffnete: "Mama, gute Nachrichten – ich wünsch mir jetzt doch was gaaanz was anderes vom Christkind!"

 




3. Kekse backen
 

Meine Vorstellung:

Mit beschwingter Weihnachtsmusik im Hintergrund und lustigen Mützen am Kopf kneten, formen und bestreuen wir Kekse, die wir beim nächsten harmonischen Familien-Adventfrühstück gemeinsam verzehren werden. Sie sind nicht nur köstlich, gesund und nachhaltig, sondern werden die gesammelte Pinterest-Gemeinde in weihnachtlicher Ehrfurcht erstarren lassen.


Die Realität:

Wer jemals die Vorstellung in die Welt gesetzt hat, dass Keksebacken mit kleinen Kindern romantisch und entspannt sei, den möchte ich herzlich zu einem Backnachmittag mit meinen zwei Jungs einladen – aber bitte bei sich zu Hause!

Seien wir doch mal ehrlich: Backen mit Kindern ist die Hölle. Innerhalb von zehn Minuten haben sich Küche, Vorraum und jeder im Umkreis von 20 Metern anschließende Raum in ein Schlachtfeld aus Mehl, Teigresten und Zuckerperlen verwandelt. Nachdem die blöden Keksausstecher wie jedes Jahr nicht ordentlich funktionieren, motzen die Kinder nach fünf Minuten, dass sie viel lieber verzieren als ausstechen möchten.

Während du noch verzweifelt versuchst, mehr Teig auszurollen, stopfen sich deine Kinder die Hälfte davon gleich selbst in den Mund und verteilen währenddessen schon mal bunte Schokostreusel, Perlen und Nüsse gleichmäßig über den Boden und das Ceranfeld.

Die eigentlichen Weihnachtskekse wirst du also allein um 23:00 Uhr backen, wenn die Kinder im Bett sind. Wenn du willst, kannst du dabei aber gerne eine lustige Mütze tragen und beschwingte Weihnachtsmusik hören!



Ich bin mir sicher, dass viele Weihnachtsprofi-Mamas jetzt abfällig den Kopf schütteln werden. Und ganz ehrlich: Ich bewundere euch, dass ihr das alles so auf die Reihe bekommt, wie ich das in meinen kühnsten Adventträumen gerne hätte. Aber es gibt bestimmt auch einige Mamas, die sich grad fluchend den Keksteig aus den Haaren klauben und sich denken: Ich bin nicht allein!

Und das Schöne daran ist ja: Egal, auf welcher Seite von "Instagram vs. Reality" eure Adventzeit mit Kind steht – wenn an Heiligabend der Christbaum strahlt, alle bei "O Tannenbaum" schief mitsingen und die Kinderleins vor Freude auf- und abhüpfen, ist Weihnachten trotzdem immer irgendwie perfekt.

Dienstag, 9. November 2021

Warum Notlügen vielleicht nicht immer die beste Idee sind

Ich geb's zu: In vielen Dingen bin ich beratungsresistent. Ich mag es nicht, wenn man mir sagt, wie ich etwas zu tun habe und denke oft, dass ich es schon selber besser weiß – auch wenn das bei Weitem nicht immer stimmt.

Wenn es um meine Kinder geht, bin ich zumindest ein kleines bisschen weniger stur. Vor allem in Phasen der Verzweiflung linse ich manchmal verstohlen zu den anderen Supermamas hinüber und schaue, wie die das denn alles so machen.

Ganz schnell landet man in solchen Phasen auch bei pädagogisch wertvollen Internetforen und Selbsthilfebüchern. Dass die weisen Tipps dieser Art nicht immer etwas für mich sind, stellte ich bereits fest, als mein Großer mit zwei Jahren den Höhepunkt der Trotzphase erreicht hatte und mir regelmäßig auf der Straße, im Supermarkt und auf dem Küchenboden ein ausuferndes Drama in drei Akten präsentierte.

Genau zu dieser Zeit empfahl mir eine andere Mama das "Wutmonster". Man solle dem Kind in solchen Phasen erklären, dass das Wutmonster im Bauch einfach gerade überhandgenommen hat und man es jetzt gemeinsam in den Keller sperren wird.

Voller Motivation probierte ich diese Erziehungsweisheit beim nächsten Wutausbruch meines Zweijährigen aus, der auch nicht lange auf sich warten ließ. Das Ergebnis: Das Kind lief hysterisch weinend durch das Haus und krallte sich dabei panisch an seinem Bauch fest, weil es da kein Monster drin haben wollte. Erziehungsversuch: Fail.

Nachdem sich das verstörte Kind endlich beruhigt und ich ihm versichert hatte, dass nicht gleich ein Alien aus seinem Bauchnabel hüpfen würde, war endlich wieder Ruhe. So lange, bis der Knirps mit geweiteten Augen meinen schwangeren Bauch anstarrte und wieder zu brüllen begann, dass bei der Mama das Wutmonster schon so riesig sei, dass es sicher gleich rausplatzen und uns alle fressen würde …

Nachdem das Wort "Wutmonster" ab da bei uns tunlichst vermieden wurde und aus Mamas Bauch wenig später auch kein Monster, sondern ein kleiner Bruder kam, konnte wenigstens dieses Trauma erfolgreich abgewendet werden.

Ein Erziehungstipp, an dem ich dagegen heute noch arbeite, ist der, dass man seine Kinder nicht mit Lügen, Drohungen und Bestechungen erziehen soll. Grundsätzlich leuchtet mir das durchaus ein. Nur: In der Praxis ist dieser Vorsatz halt leider oft schwer umzusetzen.

Oder habt ihr etwa noch nie versucht, eure Kindergartenkinder mit einer klitzekleinen Notlüge zu überzeugen? Ihnen ganz ehrlich noch nie gesagt, dass der Spielplatz gerade "leider zu hat" oder der münzenfressende Spielzeugbagger im Zoo partout heute "kaputt ist"? Dann ziehe ich meinen nicht vorhandenen Hut vor euch!

Ich kann euch allerdings sagen, dass sich diese "Erziehungsform" ohnehin schnell aufhört, wenn die Kleinen lesen lernen. Gerade noch verkündet man ihnen an einem kalten Regentag voller Überzeugung, dass das Eisgeschäft heute leider Gottes geschlossen hat und man da gar nichts machen kann, schon kommt es vom stolzen Erstklässler: "Mama, da steht aber 'geöffnet'!" Verdammt.

Auch mit dem Droh- und Bestechungssystem gerate ich regelmäßig an meine Grenzen. Versteht mich nicht falsch, ich finde das ja selbst ganz schrecklich, wenn ich meinem Kind verspreche, dass es ein extragroßes Sackerl Gummibärli bekommt, wenn es bei der Trauung der besten Freundin in der Kirche nur noch FÜNF MINUTEN stillsitzt. Oder ihm androhe, dass es heute sicher kein Fernsehen mehr gibt, wenn jetzt nicht augenblicklich die Hausübung erledigt wird. Meinen persönlichen Tiefpunkt hatte ich in der Hinsicht, als ich mich an einem besonders schlimmen Tag tatsächlich selbst sagen hörte, dass ich jetzt dann gleich "das Christkind anrufen und ihm sagen würde, dass es die ganzen Geschenke doch nicht bringen soll", wenn meine Jungs nicht sofort damit aufhörten, wie Irre durchs Haus zu wüten ...

Abgesehen davon, dass man sich bei den ewigen Drohungen eher jämmerlich und hilflos vorkommt als pädagogisch wertvoll, kann diese Form der Erziehung auch ganz schnell nach hinten losgehen. Es werfe derjenige den ersten Stein, der sich nicht schon mal im Nachhinein grün und blau geärgert hat, dass er die Drohung mit dem Fernsehverbot tatsächlich durchgezogen hat. Denn eigentlich wolltest du in den 20 Minuten, die die Kinder sonst hätten fernsehen dürfen, doch in Ruhe das Abendessen kochen, oder nicht?

Abgesehen davon ist das Drohsystem mit einigen Kindern einfach zum Scheitern verurteilt. Vorhang auf für meinen jüngeren Sohn! Zu Weihnachten hatte der damals Dreijährige vom Christkind (das ich dann doch nicht angerufen hatte) einen supertollen knallroten Lego-Koffer bekommen. Der Inhalt desselbigen lag einige Tage später trotz mehrmaliger Aufforderung zum Aufräumen immer noch quer über den Wohnzimmerboden verstreut.

Also griff ich wieder mal zu einer Drohung: "Wenn du den Koffer nicht zusammenräumst, dann schmeiß ich ihn weg!" Antwort Sohn: "Ok." Jetzt stand ich also da und musste meinen Worten Taten folgen lassen. Verzweifelt versuchte ich es noch mit "Aber der ist dann wirklich weg, gell!" und "Ich würde mir schon überlegen, ob ich den jetzt nicht noch schnell aufräume, wir können ja zusammenhelfen!" … alles ohne Erfolg.

Also packte ich den Koffer selbst zusammen und ließ ihn demonstrativ in den Sack mit dem Plastikmüll plumpsen (was mein Sohn mit einem lässigen Schulterzucken quittierte und einem Gesichtsausdruck, den man vielleicht als "Ach, was soll man machen, die materiellen Dinge im Leben werden sowieso überbewertet" hätte deuten können.)

Bis zum Schlafengehen änderte sich auch nichts an seinem Fatalismus. Keine Tränen, kein "Oh Mama, du hattest Recht, es tut mir so leid!", offenbar kein zweiter Gedanke an seinen nagelneuen Lego-Koffer.

Na gut, dachte ich mir – morgen wird er seinen Fehler schon bereuen. Nachdem mein Sohn im Bett war, holte ich zwischen leeren Joghurtbechern und Erdbeerschälchen den Koffer wieder aus dem Plastikmüll und stellte ihn in den Abstellraum – griffbereit für seinen großen Auftritt, wenn ich endlich sagen könnte: "Na gut, weil du dich jetzt so entschuldigt hast und ich so eine nette Mama bin, kannst du diesen superduper Lego-Koffer, für den ich übrigens 70 Euro bezahlt habe, jetzt doch wieder haben."

Nur leider trat dieser Moment auch am nächsten Tag nicht ein. Selbst nach subtilen Hinweisen meinerseits wie "Also wenn du heute wirklich brav bist, könnte ich ja schauen, ob ich den Koffer nochmal aus der Mülltonne holen kann" oder "Willst du denn heute nicht wieder so toll Lego bauen?" blieb mein Dreijähriger pragmatisch: "Ach nein, den hast du ja sowieso weggeschmissen, Mama." Tja.

Selbst eine Woche später blieb er felsenfest bei seiner Meinung – und ich kam mir jeden Tag lächerlicher vor bei den Versuchen, ihm den teuer erworbenen Koffer wieder anzudrehen. Etwa zwei Wochen später gab einer von uns auf – und es war nicht der Dreijährige. Beschämt und zähneknirschend holte ich den Koffer aus dem Abstellraum und erklärte meinem Sohn, dass ich ihn unter größter Gefahr extra für ihn in Siggerwiesen aus der Müllpresse geholt hätte, weil ich ihn so lieb habe (meinen Sohn, nicht den Legokoffer). Er sah mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank, nahm würdevoll seinen Koffer entgegen und baute ohne weitere Verzögerung eine Lego-Feuerwehrstation.

Seitdem überlege ich mir zweimal, ob ich meinen Kindern drohe. Außerdem bin ich zu einer Einsicht gelangt, die ich vielleicht mal in meinem eigenen Erziehungsratgeber groß präsentieren werde: Kindererziehung kommt nicht aus Ratgeberbüchern – die Kinder erziehen einen schon selbst.

Freitag, 16. April 2021

Mama ist auch nur ein Mensch

Als Kind habe ich mich im Fasching am liebsten als Katze verkleidet. Manchmal auch als Marienkäfer oder als Prinzessin. Was ich nie sein wollte: Superman. Auch nicht Batman, Wonder Woman oder Spiderman. Kurz gesagt: Ich wollte nie ein Superheld sein.

Vielleicht fällt es mir auch deshalb so schwer, mich heute in diese Rolle einzufinden. Denn meine Kinder gehen ganz offensichtlich davon aus, dass ich, wenn schon keine Eier legende Wollmilchsau, dann zumindest Supergirl bin. Allzeit bereit, den Unterdrückten (meinen Jungs) beizustehen und ihnen zu jeder Tages- und Nachtzeit milde lächelnd durch sämtliche Krisen zu helfen (dass zum Beispiel die Gummibärli leer sind).

Versteht mich nicht falsch: Es ist schön, gebraucht zu werden. Es ist toll, dass meine geliebten Kinder von mir (noch) denken, ich könnte nicht nur das Gummibärli-Problem, sondern auch gleich Corona und den Klimawandel eigenhändig in der Mittagspause aus der Welt schaffen.

Nur, leider: Supermom I am not. Ich bin weit entfernt vom Superhelden-Dasein. Ich bin leider ganz und gar menschlich. Ich habe weder Superkräfte, noch acht Arme (Gott, wäre das oft praktisch!), noch kann ich mich vierteilen – und leider auch nicht Corona heilen. Stattdessen habe ich wie jeder Mensch meine Schwächen und Fehler, bin manchmal (ok, oft) schlecht gelaunt, genervt, müde …

Die Frage ist: Darf man das als Mama? Einerseits bin ich der Meinung, dass meine Jungs lernen sollen, dass Mama und Papa auch mal Fehler machen und auch nicht immer gut drauf sind. Andererseits habe ich sofort wieder ein schlechtes Gewissen, wenn ich sie wegen einer Kleinigkeit ankeife, nur weil ich müde und grantig bin.

In Wahrheit möchte man für die Kinder ja die Supermama sein, die immer lacht, Zeit zum Spielen hat und jedes Problem mit Humor nimmt. Und ehrlich, ich gebe jeden Tag mein Bestes, um das für meine Jungs zu sein. Aber jeden Tag aufs Neue stoße ich dabei auch wieder an meine Grenzen.

Oft braucht es dazu noch nicht mal ein Problem. An manchen Tagen reicht mir schon die reine "Rufbereitschaft". Wie so viele Familien verbringen wir seit mehr als einem Jahr sehr viel Zeit zu Hause – mehr als uns oft lieb ist. Home Schooling, Quarantäne, Vorsichtsmaßnahmen – seit Corona hocken wir gefühlt aufeinander wie die Hennen in der Legebatterie. Zeit für sich selbst bleibt da denkbar wenig. Und in Kombination mit der Kunst der absoluten Vereinnahmung, die kleine Kinder so an sich haben, wird Supermom das einfach oft zu viel.

Dabei sind meine Jungs gar nicht mehr so klein, dass sie mir bis aufs Klo nachrennen und dort enthusiastisch jeden Vorgang kommentieren. Sie sind aber nach wie vor der Meinung, dass Mama keiner ihrer wichtigen Gedanken, die sie an einem langen Tag so haben, entgehen sollte. Und das sind sehr viele! Mama, schau mal, ich hab meinem Playmobil-Manderl eine neue Frisur aufgesetzt! Mama, schau mal, was ich für eine lustige Grimasse schneiden kann! Mama, ich hab Hunger! Mama, mir ist faaad! Mama, Maaamma …! Müsste ich für jedes "Mama!" am Tag ein Stamperl Nussschnaps trinken, hätte ich an manchen Tagen schon zu Mittag eine schwere Alkoholvergiftung.

Ich schau mir ja auch wirklich gerne ihre Grimassen an. Und ihre Playmobil-Manderl. Und ich liefere Snacks in einer Frequenz wie im Running-Sushi-Restaurant. Aber irgendwann will ich auch mal einfach fünf Minuten meine heilige Ruhe!

Dieses Konzept konnte ich meinen Jungs leider bisher allerdings nur unzureichend vermitteln. Kennt ihr das, wenn ihr nur EINEN Schluck eures Kaffees in Ruhe trinken wollt, damit ihr morgens vom kompletten Zombie zum halbwegs menschlichen Wesen werdet? Bevor eure Lippen aber auch nur einmal den Tassenrand berühren, müsst ihr im Akkord Butterbrote streichen, den Inhalt umgefallener Gläser aufwischen, runtergefallene Semmeln aufheben und tieffliegenden Marmeladegeschoßen ausweichen?

Oder wenn ihr euch abends nur zehn Minuten in die Badewanne legen wollt, weil jetzt der Papa übernehmen kann? Und während ihr euch noch denkt: "Das ist der Himmel auf Erden, wer braucht schon ein Thermenwochenende?", wird schon die Tür aufgerissen und zwei halbnackte Kinder arschbomben mit dem Kampfschrei "Toll, Mama, du liegst ja in der Badewanne, da kommen wir auch rein!" zu dir ins Schaumbad.

In solchen Situationen platzt mir an schlechten Tagen leider regelmäßig der Kragen. Und während ich noch explodiere und die lieben Kleinen anbrülle, dass Mama jetzt FÜNF MINUTEN IHRE RUHE BRAUCHT, sehe ich schon, wie ich ihnen wieder mal erfolgreich das eben noch breite Grinsen aus dem Gesicht gewischt habe und die Unterlippe zu zittern beginnt. Bravo, Supermom, toll gemacht!

In solchen Situationen nehme ich mir immer vor, es am nächsten Tag besser zu machen. Auch bei dem 642. "Maaaama!" des Tages noch ein offenes Ohr zu haben. Nicht auszuflippen, weil sie eben gern in meiner Nähe sein und ihre Gedanken mit mir teilen wollen (auch wenn die sich nur um Lego-Dinos und Pfurzkissen drehen).

So richtig geklappt hat das bis jetzt noch nicht. Denn leider ist Mama eben auch nur ein Mensch. Oder vielleicht doch ein Superheld? Der unglaubliche Hulk würde mir da noch einfallen, der sich regelmäßig so aufregt, dass er grün anläuft …

Donnerstag, 11. Februar 2021

Willkommen in der Schule (des Lebens): Erstklässler in Zeiten von Corona

Juhu, Semesterferien! Zeugnis, Freunde treffen, Ausflüge machen, ausschlafen! Oder auch nicht. Die ersten Semesterferien meines Großen haben wir uns alle anders vorgestellt. Genauso wie sein gesamtes erstes Schuljahr. Gut, das mit dem Ausschlafen ginge theoretisch immer noch – aber sagen wir so: Mein Sohn hat gern so viel wie möglich vom Tag.

Vom restlichen Ferienprogramm ist in Zeiten der Pandemie leider nicht viel geblieben. Stimmt ja, eigentlich wäre momentan gar kein harter Lockdown! Aber irgendwie fühlt sich Nicht-Lockdown momentan verdächtig gleich wie Lockdown an. Und Ferien wie (Heim-)Schule. Und Sonntag wie Dienstag.

So sitzen wir nach gefühlten 100 Jahren Home Schooling also auch in den Salzburger Semesterferien großteils zu Hause und spielen zur Abwechslung mal ein Brettspiel. Weil das haben wir im letzten Jahr nämlich überhaupt noch nie gemacht!

Ich will jetzt gar nicht über den Sinn oder Unsinn der Schulschließungen diskutieren. Ob man das alles hätte anders regeln können. Und auch nicht darüber, wie lange die Schulen nach Ende der Ferien wohl offenbleiben werden.

Eigentlich will ich nur jemanden anbrüllen und abwatschen. Neeein, es braucht keiner das Jugendamt zu rufen, natürlich nicht mein Kind! Auch nicht den Basti oder den Rudi oder irgendeinen schlauen Virologen. Am liebsten wäre mir derjenige, der uns den ganzen Corona-Mist eingebrockt hat. Da es aber nicht danach aussieht, als würden sie die schuldige Fledermaus demnächst in Handschellen abführen und weil ich diese dann aus Tierschutzgründen sowieso nicht verhauen wollen würde, muss ich mich wohl inzwischen mit einem Boxsack zufrieden geben (den ich mir jetzt gar nicht mehr online beim Kaufhaus Österreich kaufen kann, oje).

Fest steht jedenfalls: Ich bin sauer. Und zwar so richtig. Eine-Woche-Hausarrest-und-auch-kein-Fernsehen-sauer. Denn was mein Kind da gerade als erstes Schuljahr erlebt, ist ja wohl der schlechteste Witz aller Zeiten!

Als mein Ältester im Frühjahr 2020 seine Schulreifefeststellung hatte, war die Welt noch vergleichsweise in Ordnung. Sicher, auch damals gab es schon vereinzelte Witze, ob wir ihm statt einer Schultasche für den Herbst nicht lieber einen guten Drucker kaufen sollten. Aber so richtig geglaubt hat damals noch keiner (oder zumindest ich nicht), dass im Herbst nicht alles wieder normaler sein würde.

Das ganze Jahr über habe ich meinem Kind erzählt, wie toll und aufregend es werden würde, wenn es endlich in die Schule kommt. Wie viele coole Sachen er mit seiner Klasse unternehmen würde! Wäre ich er, würde ich mir mittlerweile ganz schön verarscht vorkommen.

Denn was dann kam, war weder toll, noch aufregend oder cool. Bereits am ersten Schultag war offensichtlich, dass dieses Jahr alles andere als normal werden würde. Oder hättet ihr euch gedacht, dass ihr mal überlegen würdet, ob ihr eurem Taferlklassler statt Gummibärli und Filzstiften lieber eine Maske (und zwar keine Ninja-Turtles-Faschingsmaske) und ein Flascherl Sagrotan in die Schultüte packt?!

Und ja, vielleicht war es für mein Kind gar nicht so schlimm, dass es an seinem ersten Tag ohne elterliche Eskorte, dafür mit coolem Echsen-MNS ins Schulgebäude stapfen musste. Aber ich kann euch sagen, das Mamaherz blutet, wenn ihr euren Nachwuchs an seinem großen Tag nicht begleiten dürft, nicht sein Klassenzimmer, seinen Sitznachbarn oder auch nur seine Lehrerin aus der Nähe sehen könnt. Kurz habe ich überlegt, ob ich mir an der Fensterscheibe die Nase plattdrücken soll, um ihm zu winken, aber dann habe ich eingesehen, dass ich meinem Kind noch oft genug im Leben peinlich sein werde.

Die ersten Wochen in der Schule waren wahnsinnig aufregend und wahnsinnig desillusionierend zugleich. Die erste Hausübung! Die erste große Pause (aber nur getrennt von den anderen Kindern)! Die erste Musikstunde (aber nur mit MNS!)! Das erste Mal Turnen (aber nur im Freien)! Die erste Lesenacht, der erste Wandertag, der erste Zirkus-Workshop – abgesagt, abgesagt, abgesagt! Stattdessen: Hände waschen, lüften, desinfizieren, Abstand halten, Maske tragen …

Trotz allem war mein Sohn Feuer und Flamme und freute sich jeden Tag auf die Schule – bis es nach wenigen Wochen hieß: Klappe zu, Affe tot bzw. Schule zu, Motivation tot. Das Damoklesschwert Distance Learning hatte uns also doch noch erwischt.

Und wie gesagt, über die Notwendigkeit will ich gar nicht streiten. Ich will mich noch nicht mal darüber beschweren, wie Home Schooling funktionieren soll, wenn man daneben ein Kindergartenkind und einen Beruf hat. Und ich will auch keine moralische Diskussion darüber vom Zaun brechen, wer sein Kind wann in die Notbetreuung bringen hätte dürfen, sollen oder müssen.

Aber was ich sagen will ist: Home Schooling ist kein adäquater Ersatz für die echte Schule! Schon gar nicht, wenn man als Erstklässler nach ein paar Wochen noch nicht einmal genau weiß, was Schule eigentlich heißt.

Ich habe mich wirklich nach Kräften bemüht, das Distance Learning für meinen Sohn so sinnvoll und lustig zu gestalten, wie es eben geht. Aber ganz ehrlich: Habt ihr schon mal versucht, einem Sechsjährigen, der heute einfach keinen Bock hat, auf lustige Weise das Minusrechnen beizubringen oder mit ihm einen knuffigen T-Tiger zum Lernen der Buchstaben zu basteln?!

Es gibt einen guten Grund dafür, dass ich keine Lehrerin geworden bin – weil ich dafür einfach nicht geeignet bin! Ich weiß nicht, wie man einem Kind die Uhr so erklärt, dass es auch ankommt. Ich habe keine Ahnung, wie man das Zerlegen des 10er-Zahlen-Hauses zum Partyspaß macht. Und ich verliere auch mal die Nerven, wenn das Kind in 20 Minuten genau EIN Wort geschrieben hat, weil es abwechselnd aus dem Fenster schauen, seine Stifte sortieren, Brösel vom Tisch aufpicken oder in der Nase bohren muss. Ich verstehe den kleinen Jungen sehr gut, der gemeint hat, er freut sich schon wieder auf die Schule, weil da "keine böse Frau mehr neben ihm sitzt". Und ich finde, dass jeder Volkschullehrerin, die das im Normalfall jeden Tag mal 20 hat, ein Friedensnobelpreis gebührt!

Und trotzdem habe ich mit meinem Kind nach bestem Wissen und Gewissen gelesen, geschrieben und gerechnet. Ich habe mit ihm Kastanien zusammengezählt, Schneemänner gemalt, Ansagen angesagt, Clowns gebastelt und Kinderyoga gemacht (Okay, stimmt nicht, das habe ich geschwänzt. Tschuldige, Frau Lehrerin!).

Auch mein Kind hat in dieser Zeit sein Bestes gegeben. Er hat gelernt, wie viel 8 minus 4 ist, wie man ein kleines „f“ schreibt und dass man die Mama vor dem ersten Kaffee nur bedingt zum Silbenbögenklatschen motivieren kann. Eigentlich hätte er in seinem ersten Schulhalbjahr aber meiner Meinung nach auch ganz andere Dinge lernen müssen.

Wie man neue Freunde findet. Welche Spiele in der Pause am meisten Spaß machen. Wie man am besten unentdeckt mit dem Banknachbarn ratscht. Wie man auf Schulausflügen seine Jause mit den anderen teilt. Wie man etwas von einer Erwachsenen lernt, die nicht auch gleichzeitig die eigenen Unterhosen wäscht.

Diese vielen kleinen und großen Dinge, der erste Schultag, der erste Zeugnistag, die ersten Ferien, der erste Schulfasching – das alles sind erste Male, die man nicht nachholen kann. Stattdessen gibt's das erste Mal Nasenbohrer-Test oder das erste Mal Quarantäne. Und jeden Tag genervte Mamas und Papas, die an ihrer Rolle als Neo-Lehrer verzweifeln. Das macht mich traurig und wütend, weil ich ihm und allen anderen Erstklässlern etwas anderes gewünscht hätte.

Nicht nur den Erstklässlern, auch den Maturanten, die eigentlich ihre neue Freiheit ausleben und nicht zu Hause sitzen wollten. Den 16-Jährigen, die auf ihr erstes Festival fahren wollten. Den 11-Jährigen, die in der höheren Schule ihre neuen Klassenkameraden noch kaum zu Gesicht bekommen haben. Die 8-Jährigen, die diesen ganzen Mist schon das zweite Jahr mitmachen. Sie alle tun mir leid – und alle Eltern (und Lehrer) gleich dazu.

Ich hoffe, dass es das alles rückblickend wert gewesen sein wird. Dass unsere Kinder trotzdem stark, glücklich und gescheit durchs Leben gehen werden. Und dass ich nach diesem Jahr nie wieder einen lustigen Kleinbuchstaben aus Glitzerpapier basteln muss.

Freitag, 23. Oktober 2020

Life with boys – Was du als Jungs-Mama wissen solltest

Man sagt ja, Männer sind vom Mars und Frauen von der Venus. Wenn das so ist, dann sind kleine Jungs wohl vom Planeten Pampelplupp. Nach sechs Jahren mit zwei kleinen Burschen kann ich sagen: Sie sind mir nach wie vor ein Rätsel. Jeden Tag aufs Neue bringen sie mich zum Staunen. Zum Wundern. Zum Haareraufen. Zum Ausflippen. Und natürlich mehr als alles andere: zum Lachen. Denn bevor hier jemand weiterliest und die „Undankbare Mutter“-Keule schwingt: Ich liebe die beiden über alles. 


Und trotzdem – und ich sag’s ganz ehrlich: Manchmal treiben sie mich schlicht und einfach in den Wahnsinn. Wahrscheinlich ist es selektive Wahrnehmung, dass mir in solchen Phasen die Mädels meiner Freundinnen immer viel braver vorkommen. Ebendiese Freundinnen haben mir zwar glaubhaft versichert, dass dem nicht (immer) so ist, aber was ich dann sehe, ist Folgendes: Mädels, die stundenlang dasitzen und Glitzerpickerl kleben, während meine beiden mit Indianergebrüll um den Tisch galoppieren. Mädels, die hingebungsvoll ihre Puppen frisieren, während meine Jungs daneben Hauspatschen-Weitwerfen spielen.


Es gibt bestimmt auch Jungs, die ruhiger sind. Und Mädels, die wilder sind. Aber im vollkommen subjektiven, nicht wissenschaftlich gesicherten Auswahlverfahren möchte ich euch trotzdem meine „Top 10“ über das Leben mit kleinen Jungs präsentieren. Für alle Jungs-Mamas und solche, die es vielleicht bald sind oder noch werden wollen: Ich finde, ihr solltet Folgendes wissen.

1.    Für Jungs ist die ganze Welt ein Abenteuerspielplatz
Du siehst einen Vorhang? Deine Jungs sehen eine Liane! Du siehst einen Couchtisch? Deine Jungs sehen ein Sprungbrett! Das Lebensmotto von kleinen Jungs ist „Höher, schneller, weiter“, immer und in jeder Situation. Ganz gleich, ob sie sich gerade im Turnsaal oder in der Milchprodukte-Abteilung eures Supermarkts befinden.

Manchmal komme ich mir zu Hause wie in meiner eigenen Live-Version von „Takeshi’s Castle“ vor. Was manchmal ja ganz lustig ist, oft aber auch ganz schön nervenaufreibend. Denn obwohl Jungs im Geiste aller Superhelden sind, sind sie im Fleische dann leider doch nur kleine Menschlein, die der Schwerkraft unterliegen. Deshalb fallen Jungs. Vom Fahrrad. Vom Baum. Vom Sessel und vom Couchtisch. Du wirst bis zum sechsten Geburtstag deines Kleinen gefühlte 3.000 aufgeschlagene Knie, 2.629 blutende Ellenbogen und 1.562 Cuts auf der Stirn verarztet haben. Du wirst nicht mehr ohne Pflaster außer Haus gehen. Und mit den Rezeptionisten der Kinder-Unfallambulanz möglicherweise bald per Du sein.

2.    Jungs sind Jäger und Sammler
Vor allem Sammler. Du wirst keinen Spaziergang mehr machen, ohne dass dein Kind im Durchschnitt 5 Stecken und 23 Steine und Zapfen sammelt, die so schön sind, dass sie unbedingt mit nach Hause genommen werden müssen.

Mit den Stecken wird dein kleiner Bursche ziemlich sicher entweder sich selbst, seinem Bruder oder dir halb das Auge ausstechen. Er wird drüber stolpern und ihn in jedes noch so dreckige Kanalloch stecken wollen. Nach etwa der Hälfte des Weges leidet er dann an spontaner Erschöpfung, was bedeutet, dass du neben Jausenrucksack, Wickeltasche, Laufrad und was man als Mama eben noch so mithat, auch fünf sperrige Holzstecken mit dir herumtragen wirst.

Erfreulicherweise gilt das nicht für die gesammelten Steine. Die verteilt dein Kind nämlich in sämtlichen Hosen- und Jackentaschen und du findest sie wahlweise dort im nächsten Frühjahr oder in deiner kaputten Waschmaschine wieder.

3.    Jungs haben anatomisch einzigartige, Lanzen-förmige Knie.
Anders kann ich es mir nicht erklären, dass ich gefühlt jeden Tag Hosen flicke. Egal, wie teuer die Jeans, egal wie dick der Stoff: Meine Jungs kommen nach spätestens drei Tagen mit aufgerissenen Knien daher.

Mittlerweile besitzen sie jeweils nur noch eine Hose ohne bunte Knie-Flicken. Die wird dann nur zu Omas Geburtstag oder zur Hochzeit der Großtante hervorgeholt und zur Schau getragen. Vorzugsweise an solchen Tagen fallen sie damit bereits direkt bei Verlassen des Hauses Knie voran in die nächste Matschpfütze.

4.    Jungs müssen alles auseinandernehmen.
Sie meinen es nicht böse, aber kleine Burschen MÜSSEN einfach alles kaputt machen. Sie sind einfach nicht glücklich, so lange sie nicht wissen, wie genau es im Inneren ihres ferngesteuerten Autos aussieht. Oder unter den Tasten deines Laptops.

Dabei hinterlassen sie dir überall im Alltag kleine Überraschungen. Zum Beispiel, wenn du mit deinem guten Kuli das Bestellformular für die Schulmilch unterschreiben möchtest und er unter deinen Fingern in seine Einzelteile zerfällt. Oder wenn du bei Stromausfall wirklich gerne deine Taschenlampe anschalten würdest und statt einer funktionierenden Batterie darin die Feder des Kugelschreibers wiederfindest.

Damit Jungs auch gern mit Puppen spielen, müsste man ihnen wahrscheinlich nur diese zerlegbaren Modelle aus dem Anatomie-Unterricht geben, bei denen sie ihnen Milz und Leber entfernen könnten.


5.    Jungs werden magisch angezogen von Wasser, Matsch und Dreck.

Ich kann es immer kaum fassen, wenn ich Mädchen sehe, die voll angezogen an einem Bach spielen und sich dabei tatsächlich nur die Hände nass machen. Für meine Jungs gibt es nichts zwischen „10 Kilometer vom Wasser entfernt“ und „Juhu, Bauchfleck!“

Aus „mit Gummistiefeln in die Pfütze“ wird in Sekundenschnelle ein Vollbad. Selbiges gilt für Seen, Flüsse, Bäche, Matschgruben, Sandkisten und – ich sage es nicht gerne – Kuhfladen. Als Jungs-Mama hast du also immer mindestens ein Wechsel-Outfit mit. Und ein weiteres im Auto. Leider vergisst du dabei, auch etwas zum Wechseln für dich selbst einzupacken. Deswegen siehst du, nachdem du dein Kind aus der Ganzkörper-Matschtarnung befreit hast, leider selbst aus wie ein Erdferkel.

6.    Jungs haben ein eingebautes Zielrohr.
Das erfährst du als Jungs-Mama bereits in den ersten Tagen, wenn du vorsichtig die Windel deines Zuckerpüppchens öffnest und er dir zielgerichtet auf dein Lieblings-Shirt pinkelt.
Leider Gottes können kleine Jungs dieses Zielrohr nur für ausgewählte Zwecke verwenden. Dazu gehört es bedauerlicherweise nicht, in die Kloschüssel zu treffen. Das funktioniert nur, wenn du gerade einen sauteuren Klostein gekauft hast. In diesem Fall pinkeln sie nämlich zielgerichtet von oben genau in diesen hinein, bis er innerhalb von drei Tagen leer ist.

Du wirst so viel Klo putzen wie nie zuvor. Du wirst versuchen, ihnen beizubringen, im Sitzen zu pinkeln. Bis du realisierst, dass sie auch im Sitzen einfach waagrecht nach vorne unterm Klositz herauspinkeln können.

7.    Jungs müssen alles ausprobieren.

Und ich meine ALLES. Es reicht nicht, wenn du ihnen vorher sagst, was passieren wird, sie müssen es SELBST erleben. Was passiert, wenn ich mir mit der Bastelschere ein Dreieck in die Stirnfransen schneide? (Du wirst aussehen wie ein Vollidiot.) Was passiert, wenn ich mir ein Playmobil-Polizeiblaulicht in die Nase stecke? (Mama wird es – natürlich nicht, ähem! – mit dem Zahnstocher wieder rauspulen.) Was passiert, wenn ich ohne Schwimmflügerl einfach ins Wasser springe? (Blubb, blubb.)

8.    Jungs haben immer Hunger.

Immer. Auch wenn sie gerade Frühstück, Vormittagsjause 1, Vormittagsjause 2, Mittagessen und Nachspeise gegessen haben. Außer natürlich, es gibt Gemüse. Aber das traust du dich ohnehin schon nur mehr in aufwendig versteckter Form aufs Teller zu bringen.

Gleichzeitig mit einem Buben zieht ein neues Wort bei dir zu Hause ein: Jause. Du wirst sie immer bei dir haben, egal wohin du gehst. Denn auch 20 Minuten am Spielplatz sind für einen kleinen Jungen offenbar körperlich ohne mindestens einen Früchteriegel oder eine Mandarine nicht überlebbar. Das wird dazu führen, dass dir im Arbeits-Meeting leere Quetschi-Packungen und Mini-Gummibärli-Sackerl aus der Tasche fallen werden, aber daran werden sich deine Kollegen schnell gewöhnen.

Du solltest auch wissen, dass du nie wieder – und ich meine NIE wieder – das Keks, das man im Café manchmal zu seinem Kaffee bekommt, selbst essen dürfen wirst. Und dass mindestens die Hälfte des Brotes, das ihr zum Entenfüttern mitnehmt, im Mund deines Kindes landen wird. Selbiges gilt für sämtliche Brösel, die dein Kind unter dem Tisch (oder auch an der öffentlichen Bushaltestelle) findet.

9.    Jungs lieben alles, was eklig ist.

Egal ob Spinnen, Asseln, Nacktschnecken oder ihre eigenen Fürze. Mit Begeisterung sammeln sie mit ihrer Becherlupe Weberknechte, Ohrwürmer und Feuerwanzen. Ungefähr fünf Schritte, bevor sie dir diese stolz in der Küche präsentieren möchten, fällt ihnen unweigerlich die Becherlupe auf den Boden, springt auf und sämtliches Getier flitzt in alle Himmelsrichtungen davon.

10.    Jungs sind gnadenlos ehrlich.

Ich habe mal ein kleines Mädchen zu ihrer Mama sagen gehört: „Mama, du bist die schönste Mama auf der ganzen Welt!“. Meine Jungs sagen zu mir Dinge wie „Mama, warum hast du da so einen großen Pickel auf dem Kinn?“, „Mama, warum hast du eigentlich so viele graue Haare?“ oder „Mama, warum ist dein einer Busen länger als der andere?“.

In sechs Jahren habe ich mir jetzt schon so manche harte Wahrheit ins Gesicht sagen lassen müssen. Dafür geht nichts über den Moment, wenn dein kleiner Held zu dir sagt „Mama, du riechst so gut nach Kuchen“. Oder „Mama, ich hab dich so arg lieb.“ Weil dann weißt du ganz genau, dass sie es genauso ehrlich meinen wie die Sache mit dem Pickel …

Freitag, 27. März 2020

Die 3 größten Corona-Challenges für Eltern

Bisher dachte ich, das Krasseste, was einem in Sachen Heimquarantäne passieren kann, ist dass beide Kinder hintereinander die Windpocken bekommen. Dann kam Corona. Und plötzlich wünsche ich mir die Windpocken zurück.

Nicht, dass die lustig gewesen wären, aber was hatten wir da rückblickend für einen Luxus! Besuche von der Oma! Rausgehen mit dem jeweils gesunden Kind! Unsere größte Sorge war das schlechte Fernsehprogramm! Hätte mir damals jemand gesagt, was im Frühjahr 2020 auf uns zukommen sollte, ich hätte ihm den Vogel gezeigt.

Und jetzt haben wir alle den Salat beziehungsweise den Virus. Von einen Tag auf den anderen hat sich die ganz normale Welt in einen Zombiefilm verwandelt, für den meine Kinder eigentlich noch viel zu klein sind, um ihn sich anschauen zu dürfen.

Oft genug kommt es mir so vor, als würde gleich jemand „Haha, versteckte Kamera!“ rufen – nur, dass das dann leider doch nie jemand tut und der Film unbeirrt weiterläuft.
It’s the end of the world as we know it – und das für uns alle. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass diese bekackte Katastrophe gerade an Menschen mit Kindern noch ein paar besondere Sahnehäubchen des Wahnsinns austeilt. Damit will ich bei Gott nicht die Probleme all jener schmälern, die sich gerade auch kinderlos vollkommen zurecht beschissen fühlen, ich will nur allen Eltern da draußen sagen: Ich weiß, warum ihr gerade euren Kopf gegen die Wand schlagt.

Vielleicht, weil ihr gerade seit gefühlten Ewigkeiten versucht, neben zwei brüllenden Fressmonstern im Home Office eine (nur EINE!) E-Mail zu beantworten. Vielleicht, weil ihr seit zwei Stunden aus Klopapierrollen eine Ritterburg baut. Vielleicht auch nur, weil ihr gerade bemerkt habt, dass ihr beim letzten Hamsterkauf zwei Flaschen Wein zu wenig mitgenommen habt … Ganz egal, warum: Ich verstehe euch. Denn die folgenden drei speziellen Corona-Challenges für Eltern bleiben gerade kaum jemand von uns erspart.


Corona-Challenge für Eltern #1: Du musst funktionieren – auch wenn gerade sonst nichts funktioniert

Keine Schule, kein Kindergarten, keine Betreuungsmöglichkeiten – was Corona uns da gerade beschert, trifft besonders alle extra hart, bei denen beide Elternteile berufstätig sind. Ohne Kindergartentanten, Tagesmütter und Großeltern klappt nämlich das mühsam aufgebaute Kartenhaus ganz schnell in sich zusammen.

So sitzt man plötzlich in den umgepusteten Ruinen da und fährt die größte One-Man/Woman-Show seines Lebens. Denn dass Kindergartentante, Lehrerin, Köchin, Putzfrau und Entertainerin in einem schlecht funktioniert, ist klar. Dass ihr das Ganze aber nicht nur „neben“, sondern gleichzeitig mit eurem normalen Job machen sollt, nahezu unmöglich.

Meine größte Bewunderung gilt allen, die momentan da draußen als ÄrztInnen, KassiererInnen oder PflegerInnen unser System am Laufen halten – daneben komme ich mir beinahe schlecht vor, mich über die Arbeit im Home Office zu beschweren. Aber wer jemals versucht hat, neben zwei Kleinkindern auch nur zehn Minuten produktiv am Computer zu arbeiten, weiß, wovon ich rede.

„Maaama! Mama, schau! Mama, ich hab Hunger! Mama, mir is fad! Mama, was machst du da? Mama, was passiert, wenn ich auf den Knopf da drücke? Mama, schau wie schön ich die Wand angemalt hab! Maaaaama, Maama, MAMA!!!“

Und du willst deine Kinder wirklich nicht anschreien, aber du würdest auch wirklich gern deinen Job behalten! Und auch wenn deine Chefin sehr verständnisvoll ist, wenn sich während des Video-Chats dein Kleiner im Hintergrund wie Tarzan am Vorhang durchs Zimmer schwingt, irgendwann reißt dir der Geduldsfaden und du phantasiert davon, wie du die lieben Kleinen mit extrastarkem Paketband an die Kinderzimmerwand pickst. Gleichzeitig tun sie dir auch schon wieder leid, weil sie natürlich nicht verstehen können, warum Mama nicht „da“ ist, obwohl sie doch da ist – und du fragst dich nur noch, ob man dir heute den Pokal für die schlechteste Mitarbeiterin oder doch lieber den für die schlechteste Mama verleihen sollte.

Zu Mittag geht’s statt bequem in die Kantine gestresst in die Küche, wo in der Arbeitspause schnell, schnell ein nahrhaftes Menü zubereitet werden will, das sowohl den Kindern als auch dem Mann mundet. Nicht zum ersten Mal stellst du dabei fest, dass ihr plötzlich das gefühlt Hundertfache an Essen verbraucht wie sonst und du dich beim letzten Notfalleinkauf um ca. 67 Paar Frankfurter und 8 Flaschen Ketchup verschätzt habt. Und danach zurück zur Arbeit – nein, halt! Noch schnell Geschirrspüler einräumen, Waschmaschine starten, den Kindern einen Bastelblock zuwerfen und Hände waschen, Hände waschen, Hände waschen …


Corona-Challenge für Eltern #2: Du musst entertainen – auf einem völlig neuen Level

Durch Corona weiß ich jetzt, wie „Und täglich grüßt das Murmeltier“ als Horrorfilm ausgesehen hätte. „Mama, was machen wir heute?“ – „Nix!! So wie gestern und morgen und jeden verdammten Tag ab jetzt!!“ Nein, das sagst du natürlich nicht! Stattdessen sagst du Dinge, von denen du nie geträumt hättest, dass sie einmal deinen Mund verlassen würden. „Lass uns doch heute selber Knete machen!“ oder „Sollen wir aus Nudeln eine Feuerwehrstation basteln?“

Dank Corona bin ich gefangen in der Bastelhölle. Und alle, die mich kennen, wissen, was das für mich heißt. Doch was bleibt mir anderes übrig? Ich kann die Jungs schlecht 12 Stunden am Tag vor dem Fernseher parken und ich verstehe sie ja – ich dreh ja selbst am Rad! Mit drei und sechs Jahren will man sich keinen Baum durchs Fenster anschauen – man will schreiend drum herumlaufen, raufklettern, etwas aus seinen Ästen schnitzen …

Und ja, man „darf“ zwar noch spazieren gehen, aber nicht zu lang und nicht zu weit und überhaupt am allerliebsten allein. Traut man sich dann mal tatsächlich mit den Kindern hinaus zum nächsten Baum, fühlt man sich wie eine Widerstandskämpferin, die jeden Moment von der Polizei abgeführt werden könnte. Ganz nebenbei macht das viele Bogen-um-Leute-Laufen und „Nein, Schatzi, dableiben, nicht zu den Kindern hinlaufen!“-Brüllen müde und paranoid. Nach zehn Minuten auslüften scheuchst du die weinenden Kinder, die nicht verstehen, warum sie heute nicht auf den Spielplatz dürfen, also wieder nach Hause. Und bist dort wieder bis auf Weiteres „gefangen“.

Ja, gefangen mit Essen und Spielsachen und Bastelpapier – aber dennoch gefangen. Ich versuche mir einzureden, dass man sich an alles gewöhnt. Ich denke an lebenslänglich Inhaftierte. Und an Menschen ohne Fernseher. Und trotzdem bin ich deprimiert. Und wenn ich noch EIN Mal irgendwo lese, ich soll doch bitte genießen, dass ich endlich mehr Zeit mit meinen Kindern verbringen kann …! Habt ihr eigentlich einen Dachschaden? Glaubt ihr, wir tanzen jetzt singend Hand in Hand als Familie um den Küchentisch, weil wir uns so darüber freuen, dass wir nicht mehr rausdürfen?!

Ich versuche mit allen Mitteln, meinen Kindern diese beschissene Zeit so schön wie möglich zu machen, aber das ist verdammt noch mal kein Partyspaß. Ich spiele 365 Runden Uno am Tag, ich bastle, ich male, ich baue Duploburgen und Polsterhöhlen – und dann ist es immer noch erst 10:00 Uhr vormittag!

Anfangs habe ich versucht, die Kinder ganz gefinkelt für Haushaltsaufgaben zu begeistern. „Kommt, jetzt räumen wir alle gemeinsam den Geschirrspüler aus!“ Die Kinder starrten mich daraufhin an, als hätte ich gerade vorgeschlagen, dass wir uns alle einen Finger abhacken. Also basteln wir. Und essen. Und basteln. Und essen. Wer hätte gedacht, dass ich mal vor dem Dilemma stehen würde, ob ich die Erdäpfel lieber hamstern oder für den Kartoffeldruck verwenden soll??


Corona-Challenge für Eltern #3: Du musst erwachsen sein – auch wenn du gerade selbst am liebsten heulend zu deiner Mama laufen würdest

Die wohl größte Herausforderung in dieser furchteinflößenden Zeit ist, dass du für dein Kind der Fels in der Brandung sein musst. Auch wenn dich dein Kleiner zum hundertsten Mal fragt, wann der blöde Coronavirus endlich wieder weg ist, musst du ihm glaubhaft versichern, dass alles wieder gut wird und zwar ganz bald.

Statt nach den Nachrichten in den Keller heulen zu gehen, holst du von dort nur eine neue Packung Play-Doh. Voller Überzeugung sagst du Sätze wie „Aber sicher können wir Oma und Opa ganz bald wieder besuchen!“ oder „Deinen Geburtstag feiern wir dafür doppelt so groß nach!“, während dir innerlich das Herz bricht.

Was antwortet man, wenn einen ein Sechsjähriger fragt, ob Corona weggeht, wenn er sich dafür gar nichts anderes vom Christkind wünscht? Wie reagiert man, wenn ein Dreijähriger wissen möchte, wie man betet, weil er dem lieben Gott gern sagen möchte, dass er Corona bitte wieder wegmachen soll? Ich stoße als Mama gerade jeden Tag so an meine Grenzen, wie ich es vorher nie für möglich gehalten hätte.

Einerseits bin ich unendlich froh, dass ich in dieser schrecklichen Situation wenigstens kleine Kinder habe, die mich mit ihrem Blödsinn ablenken und mich mit ihren verrückten Ideen trotz allem zum Lachen bringen. Auf der anderen Seite mache ich mir wegen den Kindern noch viel mehr Sorgen als sowieso schon. Was macht das mit meinen Jungs, wenn sie Wochen oder Monate lang zu Hause „gefangen“ sind, ohne ihre Freunde, ohne Spielplatz, ohne Oma und Opa und Kindergarten?

Wie wird es sie verändern, wenn sie trotz aller Bemühungen mit ihren feinen Antennen die Ängste und Sorgen von Mama und Papa jeden Tag ungefiltert mitbekommen? Vielleicht mache ich mir auch zu viele Gedanken und das Traumatischste, was die beiden aus dieser Zeit mitnehmen werden, ist, dass ich ihnen selbst die Stirnfransen schneiden musste – ich weiß es nicht.

Man sagt, ein Trauerprozess verläuft in fünf Stufen: Leugnen, Zorn, Verhandeln, Depression und Akzeptanz. Bis auf Akzeptanz hab ich jetzt dann alles durch – die Dinge können also nur noch besser werden. Und ich habe das starke Gefühl, dass ich mir noch ein paar Tränen aufsparen sollte.

Die brauch ich nämlich dann, wenn meine Jungs das erste Mal wieder johlend in den Kindergarten laufen. Wenn ich meine Mama wieder umarmen kann. Wenn ich das erste Mal das Meer wiedersehe. Und wenn für uns alle die Freiheit wieder nur einen Schritt von der Haustür entfernt ist.